Zusammenfassung
Erdgas wird für die Herstellung von Ammoniak verwendet, woraus wiederum Dünger hergestellt wird.
Die hohen Erdgas und Ölpreise tragen zu steigenden Düngemittelpreisen und Verarbeitungskosten bei.
Die hohen Düngemittelpreise und die dadurch verringerte Düngerausbringung, könnten eine starke Auswirkung auf das Pflanzenwachstum haben.
Gefährdet sind hier vor allem Mais, Soja und Weizen welche als Futtermittel für Tiere und in Lebensmitteln Anwendung finden.
Trotz der jüngsten Trendwende bei den Rohstoffpreisen ist das Thema Lebensmittelinflation/-krise weiterhin sehr aktuell. Der CEO von BlackRock, Larry Fink, erklärte gegenüber der Financial Times, dass die Lebensmittelpreise mehr Anlass zur Sorge geben sollten als die Kraftstoffpreise:
"Wir reden viel über die Benzinpreise, weil das die Amerikaner betrifft, aber das größere Problem sind die Lebensmittel", sagte Fink. "Die Zerstörung von Ackerland in der Ukraine ist enorm: ... Weltweit sind die Kosten für Düngemittel um fast 100 Prozent gestiegen, und diese zusätzlichen Kosten führen dazu, dass weniger Düngemittel in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Das schadet der Qualität der Ernte weltweit".
Zwischen Öl und den Preisen für landwirtschaftliche Erzeugnisse besteht eine starke positive Korrelation, da Öl in der gesamten landwirtschaftlichen Versorgungskette eine entscheidende Rolle spielt. Inflationäre Aussichten für Öl bedeuten im Grunde auch inflationäre Aussichten für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittelpreise.
Der Krieg in der Ukraine hat die globale Nahrungsmittelversorgung weiter gestört, wobei die katastrophalen Auswirkungen des Konflikts auf die ukrainischen Ernten jetzt nur allzu deutlich werden. Die Financial Times berichtete, dass die ukrainischen Landwirte in diesem Jahr bis zu zwei Drittel weniger Weizen anbauen könnten, wenn die Exportrouten des Landes weiterhin von Russland blockiert werden (zusätzlich zu den russischen Bombardierungen ukrainischer Anbauflächen), was eine globale Nahrungsmittelkrise verschärfen würde.
Zur Erinnerung: die Ukraine ist der sechstgrößte Weizenexporteur der Welt.
Probleme und Auswirkungen
Die Energiekrise, die im letzten Jahr begann, war eine der prägendsten Wirtschafts- und Finanzmarktgeschichten der vergangenen Jahre. Dieses Thema wird uns auch weiterhin begleiten und ein Ende der hohen Energiepreise ist noch nicht in Sicht.
Der Mangel an Investitionen im Öl.- & Gas-Sektor, der Abbau von Brennstoffvorräten und das Potenzial für eine Angebotsverknappung waren zu Beginn des Jahres 2021 wohlbekannte Faktoren und haben sich bis Mitte 2022 wie ein roter Faden durchgezogen.
Hinzu kommt, dass aktuell die strategische Erdölreserven (SPR) der USA so niedrig sind wie schon seit 1984 nicht mehr. In der Vergangenheit wurden Ölreserven aus der SPR abgezogen, um den inländischen Ölbedarf in Kritischen Situationen zu decken. Im März 2022 beschloss Präsident Biden Ressourcen im Umfang von 180 Mio. Barrel aus den SPR freizugeben, um die Folgen des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine abzumildern. Durch die Ausgabe zusätzlicher Ressourcen sollte verhindert werden, dass die Preise noch weiter steigen. Um jedoch einer Rezession entgegenzuwirken, hat die OPEC+ am 5. Oktober beschlossen die Produktionsmenge um 2 Mio. Barrels pro Tag zu reduzieren
In einer Rezession geht die Wirtschaftsleistung üblicherweise zurück, wodurch auch der Ölbedarf zurück geht. Um diesem geringeren Ölbedarf entgegenzuwirken, reduzieren die OPEC+ Staaten ihre Produktionskapazitäten, wodurch wiederum die Wirtschaft weiter in die Rezession getrieben wird.
Die USA wollen dem entgegenwirken, indem sie weiter Rohöl aus ihrer SPR freigeben und die USA könnten weitere 14 Mio. Barrel Öl freigeben, so der Stand vom 17.10.2022. Die Frage ist nun, wie viel SPR aus strategischer Sicht ohne Gefahr freigesetzt werden können und wie lange es dauern wird, bis die SPR-Reserven wieder aufgefüllt sind. Gerüchten zufolge könnten die USA damit beginnen, ihre Notölreserven wieder aufzufüllen, wenn die Rohölpreise unter 80 Dollar pro Barrel fallen. Auch wenn diese Aussage dementiert wurde, wird die USA ihre Notölreserven wieder auffüllen müssen, und zwar um ca. 250 Mio. Barrel, was die Nachfrage wieder steigen lässt. Aktuell werden weltweit ca. 28 Mio. Barrel pro Tag produziert.
Strategische US-Rohölreserven, eia.gov
Auswirkung auf Düngemittelpreise
Eine der wichtigsten Auswirkungen des Anstiegs der Erdgaspreise waren die Auswirkungen auf die Düngemittelpreise. Erdgas ist der wichtigste Rohstoff für die Herstellung von Stickstoffdüngern und macht 60-80 % der Produktionskosten dieser Düngemittel aus. Der sprunghafte Anstieg der Erdgaspreise führte zu Beginn der letztjährigen Herbst-/Wintersaison zu einem entsprechenden Preisanstieg bei Düngemitteln wie DAP (Diammoniumphosphat), TSP (Triple Superphosphate), Urea (Harnstoffdünger) und Potassium Chloride (Kalziumchlorid), wie in der nachfolgenden Abbildung zu sehen.
Düngemittelpreise, eigene Darstellung, worldbank.org
Ähnlich wie Öl - & Gas-Werte verzeichneten Düngemittelaktien im letzten Halbjahr eine starke Performance, welche durch den zugrundeliegenden Anstieg der Düngemittelpreise angetrieben wurde. Im Nachhinein lässt sich natürlich leicht feststellen, dass sich eine Wertsteigerungschance bei Erdgas und Düngemitteln als zweitrangiges Element des Energiethemas entwickelt hatte. Ob Gas- und Düngemitteltitel aktuell noch sehr viel Aufwärtspotenzial bieten können ist fraglich. Dies wirft nun die Frage auf, ob es eine andere Möglichkeit gibt, auf die anhaltende Energiekrise (und die breiteren Inflationsaussichten) zu setzen. Möglich ist dies bei Vermögenswerten, die noch nicht in gleichem Maße wie Energierohstoffe und Düngemittel gestiegen sind.
Angesichts der immer drängenderen Schlagzeilen über Lebensmittelinflation und -knappheit wäre es möglich, dass Lebensmittel und Agrarrohstoffe, insbesondere Grundnahrungsmittel, eine sehr interessante Idee darstellen. Mit Grundnahrungsmitteln sind hier Sojabohnen, Mais und Weizen, die für die weltweite Nahrungsmittelversorgung von entscheidender Bedeutung sind, gemeint.
Warum gerade diese Feldfrüchte?
Düngemittel werden benötigt, um diese Pflanzen in einem Umfang anzubauen, der für die Ernährung der Bevölkerung ausreicht. Außerdem sind Mais und Bohnen die wichtigsten Futtermittel für Rinder, Schweine, Schafe usw., während Weizen die wichtigste Zutat für Brot ist. Es sollte also klar sein, wie sich der Anstieg der Erdgaspreise unweigerlich auf die globale Lebensmittelversorgungskette auswirken könnte.
In Anbetracht der Verflechtung der Kette: Erdgas – Düngemittel – Ernte ist es jedoch etwas merkwürdig, dass die Preise für Pflanzen in den letzten 12 Monaten nicht in gleichem Maße gestiegen sind wie die Düngemittelpreise. Wie bereits erwähnt stiegen die Preise für DAP und Harnstoff im Jahr 2021 sprunghaft an, während die Preise für pflanzliche Erzeugnisse nicht annähernd so stark stiegen.
Ein Rückblick auf den letzten Zyklus zeigt, dass die Preise für Düngemittel zuletzt 2008 so stark angestiegen sind, was eine der Hauptursachen für die weltweite Nahrungsmittelkrise 2007-2008 war, wie weiter oben im Diagramm schon dargestellt.
Während der Nahrungsmittelkrise 2008 stiegen die Preise für Sojabohnen, Mais und Weizen um 108 %, 74 % und 138 % bis zu ihrem jeweiligen Höchststand um das dritte Quartal 2008. Während sich die Preise für diese Kulturen in absoluten Zahlen den Preisen von 2008 annähern, sind sie in den letzten 12 Monaten nicht annähernd in der gleichen Größenordnung gestiegen, und das obwohl die Preise für Düngemittel stark gestiegen sind.
Natürlich sind die Preise für Gas und Düngemittel allein nicht ausschlaggebend für die Erntepreise. Es ist auch wichtig festzustellen, dass die Agrarrohstoffmärkte äußerst komplex sind und von einigen sehr dynamischen Variablen beeinflusst werden. Diese deuten im Übrigen alle auf eine Unterbrechung der Lebensmittelversorgung und Inflation hin:
Politische und handelspolitische Fragen
Wetter
Angebot und Nachfrage
Biokraftstoffe
Probleme bei den Lieferketten
Der Aspekt der Lieferkette in Bezug auf die Ölpreise führt auch zu einer interessanten Beobachtung, die im Zusammenhang mit der aktuellen Inflation der Energie- und Lebensmittelpreise wenig diskutiert wird. Erdgas ist zwar der wichtigste Rohstoff für Düngemittel, hat aber eine viel geringere Korrelation zu den Lebensmittelpreisen als Öl. Auf der Grundlage von Daten aus dem Zeitraum 2007-2021 (einschließlich der zwei Lebensmittelkrisen in den Jahren 2007-08 und 2011-12) wiesen die US-Erdgas- und Ölpreise folgende Korrelationskoeffizienten auf:
Korrelation unterschiedlicher Rohstoffe, eigene Darstellung
Hier kann sofort erkannt werden, dass der Gaspreis zwar positiv mit den Preisen für Getreide korreliert, allerdings nicht so stark wie der Ölpreis.
Stark positive Korrelation zu Öl
Die positive Korrelation des Ölpreises mit den Preisen für landwirtschaftliche Erzeugnisse ist sinnvoll. Öl ist sowohl direkt als auch indirekt ein wichtiger Rohstoff für die landwirtschaftliche Produktion. Die inflationären Aussichten für Öl in nächster Zeit, deuten also auf eine anhaltende Inflation der Lebensmittelpreise hin.
Ein allmählicher Rückgang der Getreidepreise scheint nicht mit dem breiteren makroökonomischen Hintergrund wie:
einer wachsenden Weltbevölkerung
erhöhter Energie- und Düngemittelpreise
zunehmender geopolitischer Unsicherheit
Ressourcennationalismus/Vorratshaltung
anhaltender Unterbrechung der Versorgungsketten und
zunehmend unbeständigerer Wettersysteme,
im Einklang zu stehen.
Die Summe dieser Makrofaktoren könnten auf einen starken Anstieg der Lebensmittelpreise in den kommenden Jahren hindeuten. Möglicherweise führen diese Faktoren in den kommenden Jahren zu strukturell höheren Lebensmittelpreisen und folgend zu einer weiteren Lebensmittelkrise.
Wie könnte es weitergehen?
Aufgrund der stark gestiegenen Düngemittelpreise können sich Landwirte weniger Düngemittel leisten, wodurch sowohl die Qualität als auch die Menge der Ernte leiden könnte. Nicht berücksichtigt sind hier andere Faktoren wie die russische Invasion in der Ukraine und die Zerstörung der Ackerflächen, oder ungünstiger Wetterereignisse.
An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass sowohl China, Indien und Russland die Ausfuhr von Düngemitteln eingeschränkt haben.
Das Umfeld deutet auf eine schwierige Situation für die Agrarrohstoffproduktion und damit für die Nahrungsmittelversorgung in diesem Jahr und bis ins Jahr 2023 hin.
Generell befinden wir uns also in einem Umfeld, in dem die nordamerikanischen Erzeuger von den (relativ gesehen) niedrigeren Energiepreisen, den hohen Erntepreisen, dem hohen Bedarf an Produktionssteigerungen, den hohen Düngemittelpreisen (Erzeuger und Verkäufer) und dem wieder anziehenden Wirtschaftswachstum profitieren, was die Nachfrage nach zyklischeren Erzeugnissen wie Ethanol (Mais) fördert.
- Valentin & Patrick
Quellen
https://www.bloomberg.com/news/articles/2021-10-08/fertilizer-index-soars-to-record-threatening-higher-food-prices?leadSource=uverify%20wall
https://oilprice.com/Energy/Energy-General/The-Implications-Of-US-SPR-Withdrawals.html
https://finance.yahoo.com/news/u-does-not-plan-refill-125800805.html#:~:text=The%20final%20plan%20called%20for,prices%20amid%20a%20tight%20market.
https://www.bnnbloomberg.ca/biden-officials-weigh-buying-oil-at-around-80-to-refill-reserves-1.1818317#:
https://blogs.worldbank.org/opendata/fertilizer-prices-expected-remain-higher-longer
https://www.worldbank.org/en/research/commodity-markets
https://www.ft.com/content/21065943-4b8c-4f22-a91a-806b5d571860
https://www.ft.com/content/7dd4c4cc-bb2d-4725-a1de-f95c394bad93
https://www.forbes.com/sites/rrapier/2022/09/07/the-strategic-petroleum-reserve-is-at-its-lowest-level-since-1984/?sh=5ed7dc6c77c7
https://www.eia.gov/dnav/pet/hist/LeafHandler.ashx?n=PET&s=WCSSTUS1&f=W
https://ipad.fas.usda.gov/ogamaps/cropcalendar.aspx
https://www.fertilizerseurope.com/industry-competitiveness/energy-cost/
https://www.worldbank.org/en/research/commodity-markets
https://www.wsj.com/articles/bidens-ethanol-boost-energizes-farmers-worries-meat-producers-11649852033?mod=Searchresults_pos4&page=1
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