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Russisches Öl über Umwege nach Europa


Zusammenfassung


Ab dem 5. Dezember darf russisches Öl nicht mehr auf dem Seeweg nach Europa gelangen, es sei denn, der Ölpreis überschreitet eine noch nicht festgelegte Obergrenze.


Russland hat in den letzten Monaten eine große Anzahl Tanker gekauft, um Öl über verschiedene Routen und Optionen nach Europa und Asien zu transportieren.


Während Europa seit März weniger Öl aus Russland importiert, exportiert Russland immer noch die gleiche Menge an Rohöl, das meiste davon nach Asien.


Schiff-zu-Schiff-Transfers haben in den letzten Monaten stark zugenommen, was es Russland ermöglicht, Öl loszuwerden, ohne europäische Häfen anlaufen zu müssen.


Sanktionen erschweren es Russland zunehmend, Öl nach Europa zu liefern und das kurzfristige Ölangebot könnte dadurch weiter zurückgehen.




Wie ist der aktuelle Stand?


Gemäß der mit den G7 getroffenen Vereinbarung verbietet die EU den Seetransport (einschließlich technischer Hilfe, Versicherung oder Finanzierung) von Rohöl (ab 5. Dezember 2022) oder Mineralölprodukten (ab 5. Februar 2023), die aus Russland stammen oder aus Russland exportiert werden. Außer die Erdölprodukte werden zu oder unter einer vorbestimmten Preisobergrenze gekauft, welche erst festgelegt werden muss.


Eine Frage, die sich viele stellen: Hält die Lieferkette der Ölindustrie den härtesten Sanktionen gegen russische Exporte in der Geschichte stand?


Russland baut seit Monaten eine „Schattenflotte“ kleiner Tanker auf, um auch noch nach dem 5. Dezember Öl nach Europa und in andere Länder zu russischen Preisen verkaufen zu können. Ein Großteil des russischen Verkehrs wird von einem komplexen – und oft geheimen – Netzwerk von Schiffen, Eignern, Häfen und sicheren Passagen abgewickelt.


„Wenn Sie sich ansehen, wie viele Schiffe in den letzten sechs Monaten an unbekannte Käufer verkauft wurden, ist es sehr klar, dass eine Flotte aufgebaut wird, um diese zu transportieren“, sagte Christian Ingerslev, CEO von Maersk Tankers A/S in Kopenhagen


Der Schiffsmakler Braemar schätzt, dass viele der kürzlich verkauften Schiffe an Moskau dazu beitragen werden, Russlands 3,5 Millionen Barrel Ölexporte pro Tag in den Fernen Osten zu unterstützen. Dazu gehören 102 Aframaxe, 58 Suezmaxe und 80 sehr große Rohölfrachter, die im vergangenen Jahr iranisches und venezolanisches Rohöl transportiert haben.


„Seit dem Krieg und im Vorfeld des Stichtages am 5. Dezember hat der Handel mit Tankschiffen durch nicht genannte Unternehmen mit Sitz in Ländern wie Dubai, Hongkong, Singapur und Zypern stark zugenommen“, sagte Anoop Singh, Leiter von Tanker Forschung bei Braemar

Darüber hinaus schätzt Anoop Singh, dass etwa 157 Aframaxe, 65 Suezmaxe und 18 VLCCs (Very Large Crude Carriers) benötigt werden, um Russlands derzeitige Rohölexporte auf dem Seeweg zu transportieren, die auf etwa 3,5 Millionen Barrel pro Tag geschätzt werden. Derzeit haben EU- und G7-Reedereien einen großen Marktanteil im russischen Tankerhandel.



Laut Katsoulas zeigen Daten von S&P Global, dass EU- und G7-Reedereien im September 55 % der russischen Rohölexporte aus der Ostsee und dem Schwarzen Meer verschifft haben. Russland hat sich verpflichtet, kein Öl an Länder zu verkaufen, die sich an die Preisobergrenzen halten. Als Resultat muss Russland neue und auch genügend Transportkapazitäten sowie Abnehmer finden.


Was macht Russland?


Während die USA und Europa versuchen, Sanktionen zu verhängen, die darauf abzielen, den Handel mit Ländern wie dem Iran und Venezuela zu stoppen, erwägt Russland Alternativen. In den letzten Monaten gab es auf dem Markt für gebrauchte Tanker eine starke Kaufaktivität, insbesondere bei Tankertypen wie Aframax und Suezmax, den kleinsten internationalen Mainstream-Tankern. Diese können 650.000 bis 750.000 Barrel Öl aus flachen Gewässern und flachen Häfen transportieren. Aframax-Eisbrecher erzielen doppelt so hohe Preise wie noch vor einem Jahr, da Käufer ihre Identität lieber geheim halten. Die Baltic Exchange gab bekannt, dass der Wert eines fünf Jahre alten gebrauchten Very Large Crude Carrier (VLCC) zum ersten Mal seit März 2009 90 Mio. USD überschritten hat. Seit Ende letzten Jahres sind die Kosten für VLCC um 24 %, Suezmax um 27 %, Aframax um 41 % und MR-Tanker um 37,8 % gestiegen.


Gleichzeitig sind die Charterraten von Russland nach China gestiegen, da viele Reedereien diese Route meiden. Andere Reedereien hingegen konnten damit viel Geld verdienen.


Die Schiff-zu-Schiff-Umladungen nehmen zu. Dabei manövriert ein Schiff neben einem anderen und zwischen den beiden Frachtern wird die Ladung ausgetauscht. Dieser Vorgang kann bis zu zwei Tage dauern und erfordert gutes Wetter sowie ruhige See. In der Vergangenheit fuhren die Schiffe oft direkt zu europäischen Käufern, aber es scheint so, dass Asien, insbesondere China und Indien nach dem 5. Dezember zu den Top-Destinationen gehören werden. Sobald die Sanktionen in Kraft treten, werden die europäischen Gewässer mit ziemlicher Sicherheit für diese Schiff-zu-Schiff-Transfers (STS) gesperrt sein. Mögliche zukünftige STS-Standorte können sichere Häfen oder relativ ruhige Gewässer auf hoher See sein, die nicht unter sanktionierte oder eingeschränkte Gerichtsbarkeiten gegen den Kreml fallen.


Die Abbildung zeigt die Route eines russischen Tankers, welche in St. Petersburg beginnt und über die Ost- und Nordsee in den Atlantik führt. Nach dem Entladen der Fracht auf den Supertanker drehte das russische Schiff um und kehrte zurück, um mehr russisches Öl zu holen. Bei der Rückkehr wurde ein Rückgang des Tiefganges angezeigt, was darauf schließen lässt, dass die Ladung weniger wurde.


Ein weiteres Beispiel ist Griechenland, laut Daten von Nikkei und Research Europe wurden etwa 35 % der aus Russland auf dem Seeweg exportierten fossilen Brennstoffe von griechischen Reedereien transportiert. In den letzten sechs Monaten wurden 41 STS-Transfers von russischen Frachtschiffen vor der Küste Griechenlands registriert, im Jahr davor gab es einen Transfer. Ein sehr gutes Video dazu findet ihr hier: How European ships help keep Russia’s war economy afloat


Die nächste Karte zeigt aufgezeichnete Öl- und Gaslieferungen, die seit Kriegsbeginn russische Häfen verlassen haben. Linien geben die ungefähre Route der Schiffe an und Kreise geben das Liefervolumen nach Hafen an.


So banal es klingen mag, aber Versicherungen spielen dabei auch eine Rolle. So sind z. B. Öltanker gegen Risiken wie Unfälle und Ölverschmutzung versichert. Die Sanktionen hinderten Versicherungsgesellschaften daran, Schiffe mit russischer Fracht zu versichern. Im Falle eines Unfalls greift die Versicherung nicht ein und der jeweilige Tankschiffseigner muss die Kosten tragen. Obwohl sich viele Unternehmen öffentlich gegen den Krieg in der Ukraine ausgesprochen haben, machen einige erhebliche Gewinne, denn der Versand von russischem Öl ist nicht illegal.


Wie viel Öl wird nun wirklich exportiert?


EU-Sanktionen und ein Einfuhrverbot für russisches Öl haben Russland gezwungen, nach weiter entfernten Alternativen wie Indien, China und der Türkei zu suchen. Ab dem 5. Dezember dürfen also Tankerbesitzer unter EU-Flagge oder mit einer Versicherung von den G7 partizipierenden Staaten kein russisches Öl mehr geladen haben, außer es wurde von Russland zur vereinbarten Preisobergrenze oder darunter verkauft. Das bedeutet, dass jedes Schiff, das kürzlich in Russland beladen wurde (oder, aktuell wird), bis zum 5. Dezember Zeit hat, seine Ladung loszuwerden. In Anbetracht der langen Seewege besteht bereits bei den jüngsten Lieferungen aus dem Baltikum nach China die Gefahr, dass die Ladungen nicht rechtzeitig ankommen.


Die nachfolgende Abbildung zeigt sehr gut den Anstieg von russischem Öl mit Ziel in Asien anstatt Europa - die exportierte Menge blieb mit ca. 3-3,5 Mio. Barrels pro Tag konstant.


Betrachtet man den Fünfjahresdurchschnitt der russischen Ölexporte, sehen wir, dass Russland derzeit am oberen Ende dieser Spanne exportiert.


Wie wirksam ist das Versicherungsverbot? Die russische Regierung hatte Zeit, sich auf das EU-Einfuhrverbot und die damit verbundenen Beschränkungen vorzubereiten. Transitländer wie Dänemark (dänische Meerenge) und die Türkei (Bosporus) haben vermutlich keine Freude, wenn eine wachsende Flotte älterer, weniger gut gewarteter und möglicherweise unterversicherter Tanker ihre Gewässer passieren.


Was werden diese Länder tun, wenn die Schiffe passieren? Hat die „Schattenflotte“ genug Eisbrecher, um die baltische Häfen im Winter bedienen zu können?


Wie wird sich das auf den Ölpreis auswirken?


Die Tankerindustrie findet normalerweise Wege, den Ölfluss trotz aller Bemühungen der Sanktionsbehörden aufrechtzuerhalten. Es könnte sich aber ein erheblicher (zumindest vorübergehender) Rückgang der russischen Exporte abzeichnen. Einige Eigentümer werden vermutlich weiterhin russisches Öl verschiffen, unabhängig von den dabei auftretenden Problemen. Möglich wird dies durch neue Programme, einschließlich neuer Unternehmen, die vor kurzem anderswo, wie etwa in den Vereinigten Arabischen Emiraten, gegründet wurden.


S&P Global schätzt, dass bis zum 5. Februar etwa 2,5 Millionen b/d an Ölimporte aus Europa umgeleitet werden, von denen die meisten wahrscheinlich neue Käufer finden, mit oder ohne Preisobergrenze. Die Unterbrechung der Ölversorgung aus Russland könnte im ersten Quartal 2023 voraussichtlich 1,5 Millionen Barrel pro Tag erreichen.


Weniger Angebot bedeutet in der Regel höhere Preise, was zusammen mit der hier beschriebenen Problematik zu weiteren Preissteigerungen führen könnte.





Quellen


https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/preisdeckel-fur-olimporte-eu-staaten-bringen-neues-sanktionspaket-gegen-russland-auf-den-weg-8714890.html

https://www.investigate-europe.eu/en/2022/eu-sanctions-will-still-allow-half-of-european-insured-russian-oil-shipments/

https://www.youtube.com/watch?v=e3CbARRpWRo&ab_channel=InvestigateEurope

https://www.poten.com/wp-content/uploads/2022/10/Weekly-Opinion-21-October-2022-Putins-Rate-Hike.pdf?utm_campaign=Weekly%20Tanker%20Opinion&utm_medium=email&_hsmi=230735803&_hsenc=p2ANqtz--iI5jAainT24okzbVPJ_4Am194LK9A2vFKgCiXC6XGzBtsNO6-EydVi-UO_FsXZ3JoAxXgit6zn_tZL2yI2HhZ63fgSw&utm_content=230735803&utm_source=hs_email

https://www.bloomberg.com/news/articles/2022-10-23/russian-oil-logistics-in-chaos-with-weeks-until-sanctions-bite?srnd=premium-uk&leadSource=uverify%20wall

https://asia.nikkei.com/Business/Energy/Russian-oil-still-flowing-to-Europe-via-waters-off-Greece

https://www.bloomberg.com/news/articles/2022-10-13/biden-team-s-russia-oil-price-cap-may-fail-after-opec-cut-officials-fear?leadSource=uverify%20wall

https://www.whitecase.com/insight-alert/eus-8th-sanctions-package-imposes-oil-price-cap-expands-bans-imports-export-and

https://www.spglobal.com/commodityinsights/en/market-insights/latest-news/oil/102522-russia-likely-to-struggle-to-find-enough-tankers-to-evade-g7-oil-price-cap#

https://splash247.com/russia-rushes-to-fix-tanker-fleet-with-six-weeks-to-go-until-eu-crude-ban-starts/




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